Kritisch beobachtet: Die Dame an der Kassa

24. März 2024 Aus von Angelika Rohr

Lena ist für ihre 2,5 Jahre überdurchschnittlich groß. Vor wenigen Wochen hat sie bereits stolz den Schnuller abgelegt. Nur zum Einschlafen nimmt sie ihn noch kurz in den Mund. Kürzlich erlebte sie mehrmals Gewalt durch ihren Vater. Lena ist seither sehr weinerlich, trägt rund um die Uhr eine Windel und braucht ihren Schnuller auch tagsüber.

Lena hat heute ihre vierte Psychotherapiestunde gehabt. Sie geht gerne hin und lässt sich auf Rollenspiele ein, in denen sie die erlebten Szenen immer wieder ausdrückt. Im Anschluss ist sie hungrig. Ihre Mutter verspricht, dass sie sich ein Weckerl aussuchen und selbst mit den Einweghandschuhen herausnehmen darf. Lena freut sich und legt danach das eingepackte Weckerl auf das Förderband an der Kassa.

Die Dame an der Kassa ruft ihr zu: „Na geh, den Schnuller brauchst nicht mehr. Du bist ja schon zu groß dafür. Wirf ihn einfach da drüben in den Mistkübel rein.“ Lena versteckt sich hinter ihrer Mutter. Ihre rechte Hand hält sie vor den Mund – den Schnuller schützend. Mit der linken Hand hält sie die Jacke ihrer Mama ganz fest. Sie fragt: „Mama, wieso sagt die dicke Frau sowas?“ Noch bevor die Mutter reagieren kann, antwortet die Dame mit dem Blick zur Mutter: „Na, ganz schön frech, die Kleine. Da brauchts noch einiges an Erziehung.“

Die Mutter dreht sich zu Lena, nimmt sie in den Arm und sagt, dass die Dame kein Recht hat, so etwas zu sagen. Sie zahlt. Lena lässt ihr Weckerl an der Kassa liegen. Sie hat keinen Appetit mehr.